Hammer Schüler live bei Veranstaltung mit Staatsoberhäuptern dabei

Von Stefan Gehre

Hamm-Westen/Warschau – Es war eine bewegende Veranstaltung, an der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Polens Präsident Andrzej Duda und der Staatspräsident Israels, Isaac Herzog, teilnahmen. Mittendrin: 13 Schüler der Jahrgangsstufen EF und Q1 sowie 3 Lehrer des Märkischen Gymnasiums.
Anlässlich des 80. Jahrestags des Aufstands im Warschauer Ghetto gedachten die drei Staatoberhäupter am Mittwoch in der polnischen Hauptstadt der Opfer. Zudem bat Steinmeier vor dem Ehrenmal für die Helden des Warschauer Ghettos um Vergebung für die Verbrechen, die „die Deutschen hier begangen haben“. Mit ihm sprach erstmals ein deutsches Staatsoberhaupt eine Gedenkrede zum Jahrestag.

Tief beeindruckt: Schüler des Märkischen Gymnasiums an der Gedenkstätte. Anlässlich des 80. Jahrestags des Ghetto-Aufstands trugen sie gelbe Papier-Narzissen.

Gemeinsames Gedenken: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (von links), Polens Präsident Andrzej Duda und Israels Staatspräsident Isaac Herzog am 80. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto. 13 Schüler des Märkischen Gymnasiums waren live bei der Gedenkveranstaltung in Warschau dabei.

„Tief beeindruckt“ von der Veranstaltung zeigte sich die Gruppe aus Hamm, die seit Anfang der Woche in Polen weilt. Auf dem Programm der zehntägigen Reise stehen neben Warschau unter anderem auch Krakau sowie das Konzentrationslager Auschwitz, das die Schüler der AG „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ am Freitag besucht haben.

Dass sie auch an der Gedenkfeier teilnehmen, war zunächst nicht geplant, ergab sich dann aber doch. Vormittags sei man zu Besuch im „Museum der Geschichte der polnischen Juden“ gewesen, berichtet Lehrerin Dr. Andrea Kolpatzik. Das sei schon vor Antritt der Fahrt klar gewesen. Auf drei Ebenen habe man dort viel über die Geschichte der polnischen Juden, ihr Leben vor dem 1. Weltkrieg und den Holocaust erfahren können. Allein das habe die Schüler schon sehr beeindruckt. Und natürlich habe man die Gelegenheit genutzt, die Gedenkveranstaltung am nahe gelegenen Ehrenmal zu verfolgen. „Hier hat sich vor 80 Jahren der Deportationsplatz befunden.“ Beim Besuch des Ehrenmals sei man von einem polnischen Filmteam aufgenommen worden.

Später konnten die Schüler aus Hamm aus nächster Nähe beobachten, wie die Staatsgäste mit einer Polizeieskorte zum Ehrenmal gebracht wurden. Die Veranstaltung begann um 12 Uhr mit einem einminütigen Sirenengeheul. „Alles stand still“, berichtet Kolpatzik. Auch das sei ein bewegender Moment gewesen. Mit Schweigeminuten, wie man sie aus Deutschland kennt, sei das alles aber nicht zu vergleichen gewesen. Durch die Sirenen sei es sehr laut gewesen.
Wie Steinmeier, Duda, Herzog und die anderen geladenen Gäste – unter ihnen auch Holocaust-Überlebende – trugen die Hammer Schüler gelbe Papier-Narzissen am Revers, die sie vorher von Einheimischen geschenkt bekommen hatten. Sie gelten als Symbol für den Widerstand und werden schon seit Jahren von Warschauer Kindern gebastelt, um dann am Jahrestag verteilt zu werden.

Anschließend konnten die Schüler – wenn auch aus einiger Entfernung – die Reden verfolgen. Sie wurden auch auf große Leinwände übertragen. Da die meisten Redner polnisch sprachen und es keine Übersetzung gab, habe man allerdings nichts verstanden, so Kolpatzik. Bundespräsident Steinmeier habe auf Deutsch gesprochen. Den Inhalt seiner Rede habe man am Rande mitbekommen.

Nach dem Besuch in Warschau ging es weiter nach Krakau, wo für die Schüler des Märkischen Gymnasiums – neben verschiedenen Besichtigungen – ein jüdisches Essen auf dem Programm stand. Am Mittwoch, 26. April, wird die Gruppe in Hamm zurückerwartet.

Der Aufstand: Am 19. April 1943 kam es im Warschauer Ghetto zum größten bewaffneten Widerstand europäischer Juden gegen die Nazis. Zweieinhalb Jahre zuvor hatten die Deutschen das Ghetto wegen angeblicher Seuchengefahrerrichtet. Im März 1941 lebten dort etwa 460000 Menschen, was eine Bevölkerungsdichte von fast 150000 Personen pro Quadratkilometerbedeutete. Sie litten unter Hunger und Krankheiten, zehntausende Menschen starben. Ab Juli 1942 wurden die Bewohner in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und ermordet. Am 19. April 1943 sollten die letzten verbliebenen Menschen aus dem Ghetto geholt werden. Etwa 750 spärlich bewaffnete Kämpfer setzten sich zur Wehr, hatten jedoch keine Chance gegen die Übermacht von SS und Wehrmacht. Die Kämpfe forderten mehr als 12000 Todesopfer, über 30000 Menschen wurden anschließend erschossen, 7000 in Vernichtungslager transportiert. Nur wenigen gelang die Flucht.

Aus dem WA vom 22.04.23